40 Jahre Naturschutzbund Altstadt

Eigentum an Grund und Boden als Fundament der Umweltarbeit

Keimzelle war eine Jagdhütte. Dort, im sogenannten „Märchenwald" von Altstadt, traf sich im Winter 1979/80 ein kleiner Kreis von Akteuren, um eine DBV-Ortsgruppe aus der Taufe zu heben – Jäger, Atomkraftgegner, Vogelschützer, Biogärtner ... Bei Gaslicht und dem Feuer eines Holzofens wurden eine Satzung entworfen, erste Vorhaben abgesteckt, Personalfragen diskutiert und die Gründungsversammlung vorbereitet. Dass diese Treffen geradezu konspirativen Charakter hatten, kam nicht von ungefähr. Seitens der Kommunalpolitik wurde Engagement für Umwelt- und Naturschutz mit Argwohn beobachtet, zudem gab es in dem Kirkeler Ortsteil bereits einen Verein, der sich „Vogelschutz" auf die Fahnen geschrieben hatte – ganz traditionell, Winterfütterung fand statt, Nistkästen wurden aufgehängt. Das war es dann aber auch schon.

Dass es damit beileibe nicht getan war, war mithin Anlass, neue Wege einzuschlagen. Am Morgen des 4. Mai 1980, einem Sonntag, war es dann soweit. Im Nebenzimmer des Gasthauses „Zur Neustadt"  bei Wirt Robert Naumann schlug die Geburtsstunde. Hubert Weyers aus Homburg, damals stellvertretender Vorsitzender des „Deutschen Bundes für Vogelschutz, Landesverband Saarland", leitete die Zusammenkunft. Die Resonanz war ansehnlich; aber wie erwartet, gab es auch kritische Stimmen, die eine derartige Gruppierung am Ort für unnötig hielten. Gleichwohl wurde die Satzung beschlossen und gleich ein arbeitsfähiger Vorstand unter der Führung des Landwirtes Hermann Steiner gewählt.

Natürliche Lebensräume zu erhalten, zu verbessern und auch neue zu schaffen waren die erklärten Ziele des neuen Umweltvereins, der binnen Jahresfrist über 80 Mitglieder zählte. Vorträge und Exkursionen dienten der Aufklärung und Information, zu örtlichen Themen und Problemen wurden Stellungnahmen abgegeben. Und die ersten Arbeitseinsätze fanden statt: Tümpel, Teiche und Feuchtgebiete wurden angelegt, Bäume und Hecken gepflanzt und natürlich auch Nistkästen aufgehängt. Mitglieder stellten dafür Grundstücke bereit, ohne dass über Pacht gesprochen wurde.

Die Ausweisung von Naturschutzgebieten wurde bald zum Herzensanliegen, zumal sich mit dem „Höllengraben" ein überregional bedeutsames Feuchtgebiet vor Ort befand. Hubert Weyers hatte eigens ein ornithologisches Gutachten erstellt, das eine Vielzahl seltener Vogelarten nachwies. Franz Kehrein aus Waldmohr drehte einen Film über das Gelände am Rand der Bliestalaue; öffentlich aufgeführt, sollte damit die Öffentlichkeit für die Belange des Naturschutzes sensibilisiert werden. Die intensive Zusammenarbeit mit dem damaligen CDU-Landtagsabgeordneten Berthold Budell brachte das Projekt entscheidend voran, als dieser 1984 saarländischer Umweltminister wurde. Das formelle Ausweisungsverfahren setzte Budell zwar in Gang, aber seine Amtszeit war zu kurz, um das Naturschutzgebiet auch noch „einweihen" zu können: Das Projekt " Höllengraben wurde, wie auch das „Kühnbruch" auf Altstadter Gemarkung, an seinen Nachfolger Jo Leinen (SPD) übergeben.

Zum wesentlichen Arbeitsschwerpunkt des „DBV Altstadt" wurde nun bald der Erwerb von Grund und Boden. Waren die ersten Parzellen, die den Grundstock für das Naturschutzgebiet „Höllengraben" noch aus privater Hand „gestiftet", also in den Besitz des DBV übergeben worden, so galt rasch dem Erwerb das Augenmerk. Zug und um Zug wurden über die gesamte Gemarkung verteilt Grundstücke gekauft. Auf den heutigen Tag nennt der längst in „Naturschutzbund (NABU)" umbenannte und inzwischen auch eingetragene Verein rund 80.000 Quadratmeter sein eigen.

Dieser Grundbesitz war dann in den folgenden Jahren die Grundlage für viele Projekte, die mit einer zwar kleinen, doch schlagkräftigen und engagierten Mannschaft durchgeführt werden konnten. Neben den Daueraufgaben wie bspw. die jährliche Betreuung der mittlerweile 180 Nisthilfen und der regelmäßig wiederkehrenden Pflege der Grundstücke wie der Kopfweiden am Brandweiher oder der Instandhaltung des „Wäschbaches“ am Ober- und Unterlauf, wo ein ständiges Scharmützel mit dem ansässigen Bisam ausgetragen werden muss, wurde auch eine stattliche Zahl weiterer Projekte in die Wege geleitet, die teilweise zu Daueraufgabe wurden.

Am „Höllengraben“ wurden Laubfrösche wieder angesiedelt, Streuobstwiesen wurden angelegt, und es wurden dort Kauzröhren in Erwartung dieser kleinen, putzigen Eule aufgehängt. Seit 3 Jahren baut die Ortsgruppe Altstadt zusammen mit dem NABU Blieskastel im zeitigen  Frühjahr einen etwa 300m langen Amphibienzaun im Taubental auf. Mitglieder von NABU und BUND Homburg sowie von der Naturwacht helfen, die Auffangeimer täglich zu kontrollieren; in diesem Jahr wurden nahezu 6700 Kröten, Molche und Frösche auf dem Weg zu ihrem Laichgewässser abgefangen und über die Forststraße getragen. Eines der jüngeren Projekte ist die Schaffung eines „Mittelwaldes", der als rare Variante der Waldbewirtschaftung ein althergebrachtes Biotop neu entstehen lassen soll. In einem vereinseigenen Wald wurden im Schatten mächtiger Eichen mehr als 1000 Hainbuchen in die Erde gebracht. Gefördert wurde das Projekt vom Saarpfalz-Kreis und auch vom NABU-Landesverband.

Auch beim traditionellen „Vogelschutz" gibt es neue Ansätze. Neben den rund 150 konventionellen Nisthilfen wurden in den letzten Jahren in allen drei Ortsteilen der  Gemeinde an geeigneten Gebäuden zahlreiche Quartiere für Mauersegler installiert. Selbst Meister Adebar ist wieder heimisch. 2019 gab es die erste Brut mit drei Jungstörchen. Der in Kooperation mit den Pfalzwerken aufgestellte Horst – die Plattform war zuvor von Mitgliedern in Eigenregie akribisch konstruiert worden – steht auf einem vereinseigenen Grundstück im Naturschutzgebiet „Kühnbruch" unmittelbar am Feilbach. Auch heuer wird wieder Nachwuchs erwartet. 2019 wurde innerhalb der Ortslage bereits eine kleinere Blühwiese eingerichtet. Neu in 2020 wurde das Projekt Blühwiese und Insekten gestartet. Ausgestattet mit einer erklecklichen Fördersumme vom NABU Bundesverband geht es in diesem Jahr zunächst darum, eine Fläche von etwa 3500 m² mit geeignetem Saatgut zu bepflanzen und für Bienen und andere bedrohte Insekten einen gedeckten Tisch zu bereiten.

Leider gab es in der Erfolgsgeschichte der Ortsgruppe Altstadt auch einige Rückschläge, die einerseits die Natur hinnehmen musste, andererseits aber auch das Engagement der Mitglieder, die sich für diese Projekte eingesetzt hatten, stark beeinträchtigte.

  • Biosphäre: Engagiert setzte sich der Altstadter NABU für das Unesco-Biosphärenreservat Bliesgau ein. Wichtig war für den Umweltverband, dass die Gemeinde Kirkel mit Altstadt und seiner ausgedehnten Bliesaue Teil des „Reservates" wird. Mehr als zehn Jahre nach der offiziellen Anerkennung ist jedoch nicht alles so, wie man es erwartet hatte. Von der Biosphäre ist mancherorts recht wenig zu verspüren.
  • Der ehemalige „Zollbahnhof":  Das Projekt lenkte das Augenmerk auf die Bedeutung des Gebietes für den Natur- und Artenschutz und wurde es als „Vorranggebiet für den Naturschutz" und als „Pflegezone" innerhalb der Biosphäre ausgewiesen,  seit 2005 wird dieses Gebiet nun industriell genutzt.
  • Das Industriegebiet „Zunderbaum": Nachdem das ehemalige Militärgelände von der Bundeswehr aufgegeben worden war, gab es viele Ideen und Vorschläge, wie daraus ein ökologisch vorzeigbares innovatives Areal für Industrie und Gewerbe entstehen kann. Doch daraus wurde nichts. Zunächst wurden alle Bäume gefällt, und es ist ein konventionell erschlossenes Industriegebiet entstanden. Zugesagte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vor Ort fanden nicht statt.
  • Das Naturschutzgebiet „Höllengraben": Der Status des Feuchtbiotops wurde aufgehoben, es wurde (mit durchaus strengen Festlegungen) in das Landschaftsschutzgebiet „Beeder Bruch" aufgenommen. Absurd ist  hierbei, den „Höllengraben" mit seiner besonderen Vogelwelt als „natura 2000"-Areal mit den angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen mit großflächigen Maisäckern oder Erdbeer-Sonderkulturen gleichzusetzen.

Heute, zum 40. Bestehen, zählt der Altstadter Naturschutzbund etwa 450 Mitglieder. Darin sind auch die Mitglieder aus Kirkel-Neuhäusel enthalten, die nach der Auflösung der dortigen Ortsgruppe den Altstadtern zugeschlagen wurden. Manch einer derjenigen, die bei der Gründung im Jahre 1980 mit von der Partie waren, sind immer noch Aktivposten – wie Hans-Jürgen Sand beispielsweise, der von Anbeginn an und ohne Unterbrechung als Schatzmeister fungiert. Auch viele andere Mitglieder sind schon lange Jahre bei den Arbeitseinsätzen dabei und blicken auf viele Jahre Dienst an der Natur zurück. Wir schauen aber ebenso nach vorne und wünschen uns für die Zukunft insbesondere jüngere Mitstreiter, die bei der Bewältigung der Arbeit in und für die Altstadter Natur mithelfen.

Martin Baus