Lebensraum Kopfweide

Eigenartig ist sie, aber dennoch keine eigene Art – die Kopfweide.

Sie ist ein Produkt jahrelanger Kultivierung durch den Menschen. Einst ein großer Rohstofflieferant und Wirtschaftsfaktor, ist ihre große Zeit inzwischen zu Ende gegangen. Wurde sie bis zum letzten Jahrhundert noch zahlreich zu Körben und anderen mannigfaltigen Gegenständen des täglichen Gebrauchs geflochten, als Pflöcke und Zäune eingesetzt im Fachwerk verbaut oder auch zu Reisigbündeln für die Uferbefestigung gebunden, so ist sie heute fast nur noch im Rahmen von Naturschutzmaßnahmen von Bedeutung. Ihre einstige Verwendung für Zaunpfähle als Begrenzung von Wegen und Weiden ist heute noch in Form der erhaltenswerten Kopfweidenalleen sichtbar.

Nach und nach hat die Kunststoffindustrie mit ihren Produkten, die leichter und billiger herzustellen und zu verarbeiten sind, die Weidenruten verdrängt und damit vielfach auch die damit verbundenen alten Handwerkskünste. In einigen Gebieten Deutschlands prägt die Kopfweide immer noch Landschaftsgebiete; aber Grundlage von Gewerben ist sie längst nicht mehr.

Die Weide ist eine Pionierpflanze, die sowohl auf trockenem, kargem Boden wie auch in Feuchtgebieten gedeiht, wo sich andere Holzgewächse schwer tun. Ist das Umfeld passend, kann sie bis zu 25 Meter hoch werden – dort wo die Bedingungen schlechter sind, drückt sie sich als Strauch an den Boden.  Sobald der von ihr bewachsene Boden fruchtbar und für andere Pflanzen bereit ist, weicht die Weide anderen Baumsorten, zieht weiter und findet neue Gebiete, um dort neuerlich zu gedeihen. Ein abgerissener Zweig, von Tieren verschleppt oder vom Wasser fortgeschwemmt, reicht, um wieder eine neue Pflanze auszubilden; so kann sie sich überall vegetativ fortpflanzen.

Aber auch durch Sämlinge entstehen neue Weidenpflanzen. Es gibt männliche und weibliche Weidenbäume. Die dicken, eiförmigen Kätzchen beinhalten die männlichen Staubgefäße, während die weiblichen Kätzchen walzenförmiger sind und die Narben tragen.

Die enorme Vitalität der Weide hat es erlaubt, ihre Kulturform als Kopfweide zu entwickeln. Wurde sie einmal – in erreichbarer Höhe von etwa 2m – abgeschnitten, so konzentriert sich die gesamte Wuchskraft auf die Schnittstelle, und es bilden sich dort wie Haare zahlreiche dünne neue Triebe, die Weidenruten. Die „Kopfweide“ entsteht. Ein regelmäßiger Schnitt fördert und bewahrt die Form. Die Ruten werden - wenn sie die gewünschte Dicke und Länge haben - „geschneitelt“. Alle paar Jahre muss dann aber auch die Säge ran, um dominante Äste heraus zu schneiden. Werden diese nicht regelmäßig geschnitten, so wachsen sie unkontrolliert in alle Richtungen und brechen schließlich aus, weil sie zu schwer werden.

Diese Verletzungen kann die Weide mangels Kernholz nur schwer schließen. Die betroffenen Stellen  beginnen häufig infolge von Pilzbefall zu faulen und sterben schließlich ab. Gerade diese Bereiche, einer sonst oft noch gesunden Kopfweide bieten einer Vielzahl anderer Pflanzen, Insekten wie auch größeren Tieren Nahrung und Wohnung. Daher sind diese Kleinbiotope im Naturschutz sehr beliebt und begehrt. Im Laufe der Jahre setzt sich im abgestorbenen Teil des Kopfes der Weide ein Humusbereich ab, der durch Fäulnis und Frost kleinere Höhlen ausbildet - eine alte Kopfweide ist ein Biotop für sich. 

Die starke Wuchskraft der Weidenpflanze lässt sich zur Kultivierung der Kopfweiden zu Nutze machen. Frisch abgetrennte Zweige,  als Setzlinge in die Erde gesteckt, wachsen binnen kurzer Zeit an und bilden noch im gleichen Jahr neue Seitentriebe - Baumschule für Anfänger. Bereits ab dem 3. Jahr kann der Kopf zugeschnitten werden und danach wird jährlich gekürzt. So bildet sich dann im Laufe der Jahre eine neue Kopfweide. Ein kleines Universum als Zukunft für das Überleben von Tieren und Pflanzen hat seinen Anfang genommen.

Der Altstadter Naturschutzbund kultiviert und pflegt in der Nähe des Brandweihers unmittelbar vor dem Gelände des einstigen Zollbahnhofs in einem Feuchtgebiet Kopfweiden und ergänzt jährlich den Bestand durch Neupflanzungen aus den abgeschnittenen Ruten. Aber auch in vielen Altstadter Gärten, wohin Teile des Schnittgutes von Liebhabern verbracht wurden, wachsen die Nachkömmlinge dieser Kopfweiden.

Aber auch Raum gebende kleine und große Kunstwerke lassen sich aus abgeschnittenen Weidenruten herstellen. So gibt es das Weiden-Tipi für Kinder im häuslichen Garten. Das Tipi lässt sich aus in die Erde gesteckten und quer eingeflochtenen Ruten bauen. Um die Begrünung kümmert sich dann die Weide selbst. Da die in den Boden gesteckte Weide auch beiderseits Wurzeln bilden können, lassen sich damit auch Kriechgänge für Kinder anlegen, wie z.B. im Kindergarten von Limbach.

So findet sich auch heute im Hobbybereich noch manche Verwendung für die geschneitelten Ruten, wenn gleich die "Eigenart Kopfweide" auch allmählich ausstirbt.


Text: Marion Geib

Neue Frisur für Altstadter Kopfweiden

Dass Weidenruten stark nachgefragt sind, diese Erfahrung machte der Altstadter Naturschutzbund bei seinem jüngsten Arbeitseinsatz. Gartenliebhaber, Korbflechter, Kunsthandwerker und Kindergärten standen regelrecht Schlange, um ein Kontingent der begehrten schlanken Gerten zu ergattern. Beete damit natürlich einzufrieden, dekorative Bündel für das Wohnzimmer zu schnüren oder lebendige Tunnels und Tipis damit zu bauen, das waren die Vorhaben, welche mittels der grünen Stecken realisiert werden sollten. Der Umweltverband erfüllte freigiebig alle Wünsche, zumal beim diesmaligen Schneiteln seiner Kopfweiden die begehrten Reiser in Hülle und Fülle anfielen.

Die wegen ihrer auffälligen Gestalt ins Auge stechenden Bäume am „Bruchgraben“ unweit des Zollbahnhofes standen im Mittelpunkt der Aktion in Sachen Naturschutz. Ihnen eine neue „Frisur“ zu verpassen lautete die Aufgabe, die sich das Nabu--Helferteam gestellt hatte. Das etwa einen Hektar große Feuchtgebiet war von dem Altstadter Umweltverband vor mehr als 30 Jahren angelegt worden. Das Gelände befindet sich zum Teil im Eigentum des Umweltverbandes, zum Teil haben aber auch private Grundstücksbesitzer ihre Parzellen für den Naturschutz zu Verfügung gestellt. Bei der Bepflanzung des Terrains anno 1982 waren Weidenstöcke in den feuchten Erdboden gesteckt worden. Diese haben sich zwischenzeitlich zu ansehnlichen Büschen und Bäumen „gemausert“.

Diese Kopfform der Weide hat eine alte Tradition: Früher stand sie in Wiesen, um einerseits die Ufer von Bächen, Gräben und Teichen auf natürliche Weise zu befestigen und vor Abbrüchen zu schützen. Andererseits wurde aus ihr auch ganz praktischer Nutzen gezogen; der Rückschnitt auf den Stamm diente auch der Gewinnung von Weidenruten, die beim Flechten Verwendung fanden. Körbe entstanden so in kunstfertiger Handarbeit, die bei der Kartoffelernte zum Beispiel eingesetzt wurden. Dem Altstadter Naturschutzbund geht es heute aber darum, die Kopfweide als Lebensraum für verschiedene Vogelarten zu erhalten oder auch wieder anzubieten. Allerdings ist der Wiedehopf noch nicht wieder zurückgekehrt, der als auffälliger und farbenprächtiger Gast früher in den Kopfweiden heimisch war. Aber die Weidenmeise ist durchaus häufiger in den Bäumen von der merkwürdigen Gestalt beobachten, deren fachgerechter Schnitt im Fachjargon als „Schneiteln“ bezeichnet wird. „Angeleiert“ worden war die Pflanzung von Kopfweiden im übrigen vom ehemaligen Nabu-Kreisvorsitzenden Winfried Fromm aus Lautzkirchen. Der in regelmäßigen Abständen erforderliche Rückschnitt der langen Triebe zurück auf eine Art „Bubikopf“ ist inzwischen zur Routine geworden - binnen weniger Stunden waren auch die knorrigsten Gesellen zurechtgestutzt und präsentierten sich im neuen Outfit. Mehr Licht und Sonne wird künftighin auch der Teich haben, der sich inmitten des Biotops befindet. Speziell Molche fühlen sich in dem Tümpel mit dem klaren Wasser pudelwohl. „Wenn die Sonnenstrahlen des bevorstehenden Frühjahrs den Tümpel bescheinen, wird den kleinen Vierbeinern die Fortpflanzung sicher noch einmal so viel Spaß machen“, erläuterte einer der NABU-Aktivisten einen weiteren Hintersinn des Pflegeeinsatzes. Heiße Erbsensuppe aus der Küche von Marion Geib, kredenzt in der gut gewärmten Jagdhütte im Märchenwald, beschloss den Arbeitseinsatz.
    
Text und Foto: Martin Baus